Ein bisschen nervös bin ich schon, obwohl das hier ja wirklich nicht meine erste Verabredung zum Tee ist. Wenn ich das so formuliere klingt die mir bevorstehende Tee session schon wirklich altmodisch. Hätte mir jemand vor ein paar Monaten gesagt, was bei so einem Tee alles für Gespräche und Freundschaften entstehen, hätte ich mir das nur schwer vorstellen können. Jetzt also ein weiteres Treffen zum Tee, diesmal mit einem Second Year.

Nach zwei Stunden Tee im Zimmer meines Freundes, wie ich nun nennen kann, mache ich mich auf zu gehen. So viele interessante und neue Themen schwirren in meinem Kopf herum, über die wir geredet haben. Vor allem haben wir uns über die UWC Erfahrung ausgetauscht und wie Schüler hier einen Impact haben können. Sein Tipp: “You’ll get out what you put in.”

Mit dieser Einstellung habe ich mein erstes Jahr am UWC Red Cross Nordic angepackt und in im Rückblick hat sich der Ratschlag für mich bestätigt – in sozialen, akademischen und Selbstfindungsprozessen. UWC ist für mich wirklich zu dem Ort geworden, zu dem ich ihn gemacht habe.

Aller Anfang ist schwer. Auch ich hatte einen rauen Start. Da ich noch nie für längere Zeit von meiner Familie getrennt gewesen war und mir, genau so wie jedem anderen Schüler, meine Umgebung kein bisschen bekannt war, hatte ich am Anfang vor allem eines: Heimweh. Während ich glaubte, alle um mich herum hätte schon Freunde gefunden und sich eingewöhnt, fühlte ich mich noch eher alleine und fremd. Nach einiger Zeit habe ich eingesehen, dass ich mir mehr Zeit geben muss um mich selbst neu zu entdecken, wer ich bin und wer ich sein möchte.

Durch die Auswahl der Fächer und der Nachmittagsaktivitäten habe ich mich in dem Prozess unterstützt gefühlt. Dieses Jahr habe ich mir in erster Linie Zeit genommen Sachen auszuprobieren und meine Interessen und Stärken zu finden. Ein wichtiger und besonderer Aspekt des Colleges war die intensive Outdoor Erfahrung, die ich durch ein Outdoor Leadership Programme gemacht habe. Dieses Programm ist ein perfektes Beispiel für die diversen Lernerfahrungen, die mich UWC hat machen lassen.

Viele kleine Fähigkeiten wie das Packen eines Rucksacks für eine Mehrtageswanderung, über das gemeinsame Leben mit vier anderen Mitbewohnern bis zur Selbstorganisation habe ich mir angeeignet. Die Schule bereitet mit ihrer Diversität ein Umfeld um Meinungen auszutauschen und über verschiedenste Ansichten zu reden. Mit einigen meiner Mitschüler durfte ich tolle Gespräche führen, die mich in meiner Meinung bestärkt haben oder mich diese überdenken ließen.

Nun also habe ich mich im Laufe meines ersten Jahres besser kennengelernt, weiß mehr wo meine Leidenschaften liegen und in was ich Zeit investieren will. Die Worte meines Second Year Freundes sind im zweiten Term deshalb umso relevanter geworden. Einige Chancen Veränderung zu bewegen habe ich ergriffen, in dem ich anfing Projekte zu iniziieren und mich großflächig zu engagieren. Oftmals musste ich von einem Meeting zum anderen laufen um überall pünktlich zu erscheinen. Es hat sich für mich gelohnt und ich freue mich weiterhin gemeinsam mit anderen diese Projekte weiterzuführen. Trotzdem ist für mich dieses Jahr nicht alles perfekt gelaufen und ich werde versuchen mir in Zukunft mehr Zeit für mich selbst zu nehmen, mich nicht in alles reinstürzen sondern bedacht zu wählen. Das erste Jahr, mit
all seinen Eindrücken hat mir oft einmal den Schlaf geraubt, denn nicht zu vergessen auch Fächer und Lernen spielt hier eine große Rolle. Alles zu meistern mit vielen Projekten, die gleichzeitig laufen, hat mir Spaß gemacht mich aber auch erschöpft. Nächstes Semester werde ich daran arbeiten und mit der gewonnen Energie hoffentlich weniger aber qualitätvoller Arbeit leisten. Zu wissen, dass nie alles perfekt läuft und das Leben hier eine kleine Achterbahn ist, ist wichtig, realistisch und okay, denn eigentlich sind gerade die Herausforderungen die, die mich wachsen ließen.

Was also ist UWC für mich heute, nach einem Jahr?

UWC ist RCN und meine Mitschüler. Ich weiß durch den Austausch mit Co Years an anderen Schulen, dass jede Erfahrung auch von ihrem Umfeld beeinflusst und das meine Erfahrung deshalb ganz individuell ist. Für mich habe ich einen Ort entdeckt, der mir die Möglichkeit durch viele Projekte und diversen Meinungen gibt, mich selbst zu entwickeln um die Welt besser zu verstehen. UWC ist für mich nicht gleiche Werte, gleiche Inspiration und Motivation sondern Diversität in all ihren Aspekten. Das bedeutet, dass wir nicht alle am gleichen Strang ziehen, aber das wir lernen können uns in der Mitte des Seiles zu treffen, eine Fähigkeit, die weit über die Schule hinausgeht. Und UWC ist, wozu ich es für mich mache und gemacht habe und hoffentlich kann ich diese Weisheit bei gemütlichen Tee Treffen auch meinen First Years
weitergeben.